Employee Experience: mit Strategie und Programm gegen den Fachkräftemangel
Prof. Dr. Vera Hagemann der Universität Bremen und Dr. Peter Geißler von Communardo im Gespräch über die erste Studie zu Employee Experience in Deutschland
Im Gespräch sind Prof. Dr. Vera Hagemann, Professorin für Wirtschaftspsychologie und Personalwesen an der Universität Bremen und Dr. Peter Geißler, Head of Business Unit People Experience bei Communardo GmbH. Gemeinsam haben sie das Trendthema Employee Experience erstmalig im Deutschland untersucht. Dazu ist eine Studie erschienen, deren Ergebnisse sie hier genauer beleuchten.
Employee Experience gilt ja als ganzheitlicher Ansatz, bei dem Mitarbeitende im Mittelpunkt stehen. Ist das also eine Antwort auf den Fachkräftemangel?
Prof. Dr. Vera Hagemann: “Employee Experience ist auf jeden Fall ein ganzheitlicher Ansatz – es geht ja darum, eine positive Arbeitsumgebung zu schaffen in der sich Mitarbeitende wohl fühlen und dadurch motiviert und inspiriert sind. Das kann natürlich auch einen Effekt auf Fachkräfte haben, da damit die Arbeitgeberattraktivität generell steigt. Bestehende Fachkräfte sind zufriedener und die Wahrscheinlichkeit für einen Wechsel sinkt.”
Dr. Peter Geißler: “Das stimmt, der Fachkräftemangel ist aber nicht der einzige treibende Faktor für das Thema. In einer Welt, in der hybrides und verteiltes Arbeiten immer häufiger wird, ist es wichtig, eine starke Verbindung zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen zu schaffen. Employee Experience kann dazu beitragen, indem beispielsweise eine positive Arbeitskultur gefördert wird. Dabei ist es auch wichtig, dass in unserer schnelllebigen Welt flexibel auf Veränderungen reagiert wird, denn diese sind ein ständiger Begleiter von Unternehmen. Kurz gesagt, geht Employee Experience weit über das bloße Vorhandensein eines Logos im Intranet hinaus. Es ist ein umfassender Ansatz, der auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden, die Unternehmenskultur und die Veränderungen in der Arbeitswelt abgestimmt ist. Eine positive Employee Experience kann dazu beitragen, Fachkräfte zu gewinnen, zu halten und zu motivieren – ein wichtiger Faktor für den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens.”
Über Employee Experience:
Employee Experience nimmt eine zentrale Rolle in einer arbeitnehmerorientierten Arbeitswelt ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht. Der Ansatz umfasst alle Interaktionen der Mitarbeitenden mit ihrem Unternehmen. Diese Interaktionen können durch bedeutungsvolle Momente, auch Moments that Matter (MTM) genannt, beschrieben und somit messbar gemacht werden. Letztendlich spiegelt die Employee Experience (EX) die wahrgenommene Qualität der Interaktionen zwischen Mitarbeitenden und dem Unternehmen wider.
Sie haben selbst VUCA als Begründung angeführt, dass es Employee Experience braucht. Nun ist Change & Transformation ein Aspekt davon…
Dr. Peter Geißler: “Durchaus widerspricht sich das nicht. Die Umgebung wandelt sich. Denken Sie vier Jahre zurück – und nun nach Pandemie, während eines Krieges, mit gestiegenem Bewusstsein für die Klimakrise bestehen viele Unsicherheiten. Da soll doch bitte an meinem Arbeitsplatz ersichtlich sein, an wen ich mich zur Abrechnung meiner Reisekosten richten muss und wie ich eine Weiterbildung oder einen zusätzlichen Monitor beantrage und es soll klar sein, nach welchen Kriterien das geschieht. Das ist die Sicherheit, die mit Employee Experience abgedeckt wird. Andererseits wandeln sich die Unternehmen ja mit. Mit Arbeiten vom Küchentisch aus, über gestiegene Rohstoffpreise, zur Ausrichtung auf Klimaverträglichkeit – da ändern sich Ziele, Kontaktpersonen, Prozesse und so weiter. Das wie, wer, wann und vor allem das warum zu wissen, ermächtigt die Mitarbeitenden sich darauf anzupassen.”
Was hat Sie bei der Studie am meisten überrascht?
Prof. Dr. Vera Hagemann: “Während der Auswertung der Studie kam es immer wieder vor, dass wir Zusammenhänge zwischen der Unternehmensgröße und der Bewertung einzelner Faktoren erkannt haben. Das hat sich so dargestellt, dass die Bewertung bei zunehmender Unternehmensgröße geringer wurde, zum Beispiel beim Faktor Arbeitgeberattraktivität. Die großen Unternehmen, die eigentlich mehr Ressourcen für zentrale Themen haben, schnitten bei der Ausgestaltung von Employee Experience schlechter ab als kleinere und mittelständige Unternehmen.”